Wie Heilung beginnt – Der sichere Kokon der Co-Regulation

Wie Heilung beginnt – Der sichere Kokon der Co-Regulation

Meine Klienten fragen mich immer wieder, wie arbeitest du genau, wie muss ich mir das vorstellen?

Der Kokon der Sicherheit – Eine Metaphergeschichte zur Co-Regulation

Stell dir vor, es gibt einen kleinen, zarten Schmetterlingskokon, der an einem Baum hängt. Von außen wirkt er unscheinbar, fast zerbrechlich, doch in seinem Inneren geschieht etwas ganz Wesentliches. Tief verborgen in der schützenden Hülle liegt eine kleine Raupe – erschöpft von der Welt da draußen, müde vom ständigen Kämpfen, erstarrt von all den Unsicherheiten, die sie umgeben. Sie trägt eine tiefe Angst in sich, denn sie hat gelernt, dass die Welt ein unberechenbarer Ort ist. Ein Ort, in dem Druck, Erwartungen und Regeln sie immer wieder dazu zwingen, sich zu verändern, zu funktionieren, sich anzupassen – selbst dann, wenn sie eigentlich nicht mehr kann.

Doch dieser Kokon ist anders. Er ist kein Gefängnis, kein Zwang, kein fremdbestimmtes Korsett. Er ist ein Ort, der hält, nicht drückt. Ein Raum, der sich nicht aufdrängt, sondern einfach da ist – warm, weich und sicher. Hier muss die kleine Raupe nichts tun, nichts leisten, nichts beweisen. Sie darf einfach sein.

Und genau das ist der Moment, in dem Heilung beginnt.

Der Kokon ist nicht nur eine Hülle – er ist eine Verkörperung von Sicherheit. Er gibt der kleinen Raupe genau das, was sie sich selbst bis jetzt nicht geben konnte: ein Gehaltensein, das sie langsam spüren lässt, dass sie in diesem Moment sicher ist. Hier gibt es kein „Du musst“, kein „Es wäre besser, wenn“, kein „Jetzt reiß dich zusammen“. Hier gibt es nur Präsenz, Geborgenheit und ein tiefes Wissen: Du bist genau richtig, so wie du jetzt bist.

Und die Person, die diesen Kokon hält, ist nicht jemand, der „macht“, der „repariert“ oder der „löst“. Sie ist einfach da. Reguliert, verankert, ohne Ohnmacht, ohne Hektik, ohne den Drang, sofort etwas zu ändern. Sie erschafft mit ihrem eigenen Sein diesen Kokon – einen Raum, in dem das Nervensystem der kleinen Raupe allmählich lernt, dass Sicherheit existiert. Dass man sich fallen lassen darf. Dass Veränderung nicht durch Druck geschieht, sondern durch das sanfte Ankommen im eigenen Körper.

Die kleine Raupe spürt es nach und nach – nicht durch Worte, nicht durch Konzepte, sondern durch das, was sich im Körper wirklich erfahrbar macht. Die Wärme des Kokons durchdringt langsam ihre Erstarrung, die weiche Hülle nimmt den Druck von ihrem zarten Körper, die konstante Präsenz von außen zeigt ihr: Es gibt ein Gegenüber, das bleibt. Das nicht weggeht. Das hält, ohne zu erdrücken.

Und in diesem sicheren Raum beginnt eine subtile, aber tiefgreifende Veränderung. Nicht, weil die kleine Raupe es erzwingen muss. Sondern, weil ihr Körper zum ersten Mal spürt, dass er gehalten wird – ohne Bedrohung, ohne Leistung, ohne Kampf.

Denn wahre Transformation geschieht nicht durch Kontrolle. Sie geschieht, wenn man einen sicheren Kokon zaubert, in dem ein Mensch sich endlich sicher genug fühlt, um sich selbst zu begegnen.

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